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Geld mit Liebe betrachten

Die GLS Bank setzt seit 1974 als erste nachhaltige Bank Geld dafür ein, eine lebenswerte Welt zu schaffen.
Foto: Tanja Münnich

Mal bebt er, mal ist er im Höhenflug, stets wachsam, bis er crasht: der Finanzmarkt. In den Nachrichten klingt es manchmal so, als sei er ein eigener Organismus, der kein Risiko scheut. Deswegen ist es keine Frage, ob, sondern nur, wann er wieder einmal zusammenbricht. Und ein solcher Zusammenbruch ist dann auf allen Ebenen zu spüren – wie 2007 und in den Folgejahren. 

Banken sollten den Menschen dienen

Doch warum ist das so? Unsere Wirtschaftsweise ist geprägt von jahrzehnte- und jahrhundertealten Glaubenssätzen und Theorien. Der Finanzmarkt hat die Sehnsucht nach schier unendlichem Wachstum und Macht durch Geld ermöglicht. So konnten die soziale Marktwirtschaft und der Kapitalismus vorerst für das, was wir Wohlstand nennen, sorgen. Dieses Handeln ist jedoch über das Ziel hinausgeschossen und hat zu sozialen und ökologischen Ungerechtigkeiten geführt. 

Was ist darüber hinaus passiert? Die Krise 2007 hat grundlegende Fragen aufgeworfen, die zuvor im Alltag verdeckt waren. Etwa die Frage danach, wie Banken wirklich funktionieren und wie sie funktionieren sollten. Die Antwort ist so klar wie simpel: Banken sollen den Menschen dienen: für die Finanzierung von Ideen, Projekten, Vorhaben und Initiativen. Da dies bei vielen Banken nicht mehr im Vordergrund stand, konnten wir uns bei der GLS Bank während der Finanzkrise über den stärksten Zulauf an Kund:innen in unserer Geschichte freuen. Plötzlich war diese ungewöhnliche Bank, die sogar das Schenken im Namen trägt, sehr begehrt. „GLS“ ist ein Akronym für Gemeinschaftsbank für Leihen und Schenken. 

Wie wollen wir weiter wirtschaften?

2023 sehen wir erneut Krisen ins Auge. Diesmal sind es gleich mehrere auf einmal, wobei die Klimakrise in ihrer Komplexität auch die anderen umfasst. Sie ist überall zu spüren. Diese existenzielle Krise stellt unser Leben und unsere Art des Wirtschaftens in Frage. Sie zwingt uns, gleichzeitig zu fragen und zu handeln, um schlimmere Folgen abzuwenden. 

Damit uns das gelingt, brauchen wir das Gefühl der Verbundenheit, Ehrlichkeit und Transparenz. Hier könnte uns Geld wieder dienen. Denn uns alle verbindet das Geld. Statt es gegen uns zu verwenden und es ungleich zu verteilen, wollen wir es neu betrachten. Wir erinnern uns daran, dass wir die Gestalter:innen sind. Wir können entscheiden, welche Wirkung unser Geld entfalten soll. 

Die GLS Bank bezieht nicht nur hinsichtlich einer anderen Form des Wirtschaftens, sondern auch politisch Stellung.
Foto: Tanja Münnich

Die Rolle des Geldes in unserem Leben

Stellen wir uns einen frisch gebrühten Tee vor. Er riecht gut, er schmeckt gut, er wärmt uns, er begleitet eine unserer Verabredungen oder lädt uns zu einer kleinen Pause ein. Ich nehme einen Schluck. Ich denke an die Tee-Plantage, an die Menschen, die diese Teeblätter für meinen Tee geerntet haben, an ihre Kinder, ihre Lebenswirklichkeit, ihr Tun. Welche Gefühle ruft dieser Tee in ihnen hervor? Was würden sie mir sagen?

Mit dieser Art der Bewusstseinsbildung auch mit Blick auf mich selbst stelle ich beim Thema Geld folgende Frage: Welche Rolle hat Geld in deiner Biografie bisher gespielt? Die Antworten offenbaren früheste Erinnerungen und Gefühle in Bezug auf Geld. Spannend ist auch, womit wir Geld heute verbinden – Chancen, Freiheit oder vielleicht Druck und Überforderung.

Kaufgeld, Leihgeld, Schenkgeld

Die Antworten können uns helfen, unser Verhältnis zu Geld zu klären und seine Qualitäten zu erkennen. Dann können wir damit sehr viel bewusster umgehen und uns dafür entscheiden, was wir damit unterstützen, fördern und umsetzen.

Dabei orientieren wir uns bei der GLS Bank an drei Geldqualitäten: Kaufgeld, Leihgeld und Schenkgeld.

Kaufgeld ist Anerkennung. Es ist das Geld, mit dem wir täglich am meisten zu tun haben, etwa wenn wir ein Brötchen kaufen. Darin steckt die Geste der Anerkennung. Es bedeutet: Ich finde dein Brötchen richtig gut. Ich mache vielleicht sogar extra einen Umweg, um dieses Produkt zu kaufen. Danke. Mit jedem Kauf ermutige ich zum „Weiter so“.

Leihgeld bedeutet Vertrauen. Es sagt: Ich glaube an das Café, dein Geschäftsmodell, das Hausprojekt, das du realisieren willst. Ich glaube, dass das Geld dort sinnvoll eingesetzt ist und nach einer gewissen Zeit zu mir zurückfließen wird. Die Beziehung zwischen Geldgebenden und Empfangenden ist eher langfristig ausgelegt.

Schenkgeld ist Liebe. Hier ist wichtig, wie das Geld übergeben wird. Idealerweise sollte es komplett frei und ohne Erwartungen übergeben werden. Dann sagt Geld als Geschenk: Ich liebe dich, ich glaube an dich, entfalte dein Potenzial.

Wann kann ich geben, wann darf ich nehmen?

Auf die eigene Biografie geschaut, ist es auch sehr spannend, zu ergründen, in welchem Jahrsiebt ich auf welche Geldqualität zurückgreife oder auf welche ich angewiesen bin. Dann wird sehr deutlich, dass Geld vor allem der Verwirklichung meiner Lebensaufgabe dienlich ist. Ich kann mich fragen: Wann kann ich geben und wann darf ich nehmen? Es kommt eben darauf an, ob ich ein junger Mensch bin oder bereits viele Jahre gelebt habe und anfange, Dinge loszulassen.

So fühlt es sich auch bei uns in der GLS Bank an. Die GLS Bank ist 49 Jahre alt. Sie justiert sich neu und merkt, ihre Lebensaufgabe ist jetzt dran. Wir fokussieren uns, überprüfen unsere Daseinsberechtigung, richten uns nach unserem Herzensthema aus. Wir spüren unsere geballte Kompetenz im sozial-ökologischen Bankwesen. An manchen Tagen ist sie unerschütterlich und führt die Welt nach vorne. An anderen Tagen ist sie geschwächt von Ungerechtigkeit und Zerstörung. Doch es keimt Hoffnung. Das Lebensthema der GLS Bank – die sozialökologische Lebens- und Wirtschaftsweise – ist zum globalen Thema geworden. Die Veränderung ist im Gange.

Das Finanzwesen mit Wärme füllen

Für die GLS Bank bedeutet das konkret, dass wir uns besonders der sozialen Herausforderungen annehmen, um unsere ökologischen Ziele zu erreichen. Das kalte Geldwesen muss mit der notwendigen Wärme gefüllt werden. Angewiesen sind wir dabei auf unsere Gemeinschaft, unsere Kund:innen und Mitglieder. Sie vertrauen uns ihr Gestaltmittel Geld an, sodass wir unsere ureigenste Aufgabe erfüllen können und es in die drei Geldqualitäten fließen lassen. Sozialökologisch, versteht sich.