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Samenfest

Der Samenstand der Mariendistel (Silybum marianum) ist sehr stachelig – deshalb muss das Saatgut durch Schütteln herausgearbeitet werden.
Foto: WALA

Eigenes Saatgut zu ernten, zu pflegen und zu dokumentieren ist mühsam und zeitintensiv. Wieso sich dann überhaupt die Arbeit machen? „Für uns ist die biologisch-dynamische Anbauweise Grundlage unseres Anbaus“, führt Bernhard Ehrmann, Leiter des WALA Heilpflanzengartens, aus. „Das bedeutet: keine Gentechnik, kein Einsatz chemisch-synthetischer Pestizide. Die Verwendung von eigenem und standortangepasstem Saatgut in bestmöglicher Qualität ist daher nur konsequent. Für uns ist klar: Die Kraft der ganzen Pflanze liegt in ihrem Saatgut. Diese Kraft gilt es zu bewahren und zu schützen.“

Vielfalt statt Einfalt

Bei Pflanzen, die, wie in unserem Heilpflanzengarten, natürlich vermehrt werden, spricht man von „samenfestem Saatgut“. Der Erhalt unserer Sortenvielfalt ist uns besonders wichtig. Deswegen werden nicht nur die Heilpflanzen, sondern auch deren Samen in sorgfältiger Handarbeit geerntet. Das Ergebnis dieser Bemühungen ist eine gesunde Pflanzenpracht, die die Basis für unser umfassendes Arzneimittel- und Naturkosmetiksortiment bildet.

Der Keim des Guten

Beim Samen fängt alles an. Bernhard Ehrmann weiß um den Wert der kleinen Schätze und kennt den wichtigen Entwicklungskreislauf, der sich dahinter verbirgt: „Im Samen ist die Pflanze nur noch als Idee vorhanden. Alles sonst von ihr – Stängel, Blätter, Blüten – besteht nicht mehr. Sie hat ihre ganze Existenz in ihren Samen gegeben, im tiefen Vertrauen darauf, dass sie aus ihm im nächsten Jahr wieder erwachsen kann.“ Umso wichtiger sind die Dokumentation und die Verwahrung der Samen.

Genauer betrachtet

Gärtnerin Sibylle Strofus ist Hüterin des Samenschranks. Hier werden die letzten vier bis fünf Jahrgänge der Heilpflanzen aufbewahrt, denn: Aufgrund klimatischer Veränderungen gibt es, wie beim Wein, gute und schlechte Jahrgänge. „Jede Pflanze hat einen eigenen Paten oder eine eigene Patin. Diese Patenschaften teilen wir unter uns Gärtnerinnen und Gärtnern auf. So kennen sich alle am besten mit der zugeordneten Heilpflanze aus. Gleichzeitig sind wir auch für die Samenernte zuständig“, ergänzt die Gärtnerin. Sie hat sich die Zeit genommen, einige der wertvollen Exemplare mit uns zu betrachten.

Bilsenkraut – Hyoscyamus niger
Das Bilsenkraut (Hyoscyamus niger) wird auch als „Hexenkraut“ bezeichnet. Denn düster wirken die Kapseln, in denen sich das Saatgut befindet. Aber sie sind sehr „spendefreudig“ – bis zu 100 Samen befinden sich in einer Kapsel. Für die Ernte werden die Kapseln abgebrochen und die Samen herausgeschüttelt. Übrigens ist das Bilsenkraut, wie zum Beispiel auch die Tomate oder die Alraune, ein Nachtschattengewächs.
Foto: WALA
Johanniskraut – Hypericum perforatum
Das Johanniskraut (Hypericum perforatum) wird von unseren Gärtnerinnen und Gärtnern auch „das Verschwenderische“ genannt. Der Grund: sein Samenreichtum. Johanniskraut ist ein sogenannter „Lichtkeimer“ – die Samen werden Anfang Mai in einer Aussaatschale in Erde gegeben und nur kurz angedrückt. Sie keimen also nicht im Boden, sondern an der Oberfläche der Erde.
Foto: WALA
Wundklee – Anthyllis vulneraria
Die Besonderheit des Wundklee-Saatguts (Anthyllis vulneraria) ist, dass es besonders gedroschen und gereinigt werden muss, weil es dann besser keimt. Sibylle bezeichnet das Saatgut als „verspielt und lustig“. Es ist weich und von einer Hülle umgeben.
Foto: WALA
Ringelblume – Calendula officinalis
„Die Vielseitige“ – so nennt Sibylle das Saatgut der Ringelblume (Calendula officinalis). Denn es gibt drei verschiedene Samentypen: Kahn-, Ringel- und Hakenfrüchte – ein Alleinstellungsmerkmal in unserem Heilpflanzengarten. Der Samenstand wirkt knochig, wild und verschlossen.
Foto: WALA
Mariendistel – Silybum marianum
Das Besondere an der Mariendistel (Silybum marianum) ist, dass tatsächlich das Saatgut die Heilkraft beinhaltet. Die Samen sind sehr fetthaltig und somit auch von Vögeln sehr begehrt. Unsere Gärtnerinnen und Gärtner müssen daher bei der Ernte schnell sein.
Foto: WALA
Alraune – Mandragora officinarum
Die Alraune ist vielen sicherlich aus Harry Potter bekannt. In unserem Heilpflanzengarten wird sie deshalb passenderweise als „die Magische“ bezeichnet. Die Samen der Pflanze befinden sich in den grünen, tomatenähnlichen Früchten.
Foto: WALA
Kleine Brennnessel – Urtica urens
Genau wie die Blätter der Kleinen Brennnessel (Urtica urens) brennen auch ihre Samen. Das Saatgut wird aufgrund seiner reichhaltigen Inhaltsstoffe mit viel Eiweiß, gesunden Fettsäuren, Vitamin E und Mineralien auch als „Superfood“, zum Beispiel in Müsli und Samenmischungen, verwendet. Die Gewinnung des Saatguts ist sehr aufwendig: Es wird mehrfach gesiebt, damit die Samen sich vom Rest der Pflanze trennen.
Foto: WALA

Trocknen bewahrt Leben

Nicht nur innerhalb, auch außerhalb unseres Heilpflanzengartens werden die wertvollen Schätze gehütet. Für ein aktuelles Anbauprojekt erntet unser Wildsammler das Saatgut der Arnika auf unseren Wildwiesen im Schwarzwald. Mit der Expertise der Gärtnerinnen und Gärtner werden Jungpflanzen aufgezogen, diese werden dann wieder an ihrem ursprünglichen Ort ausgepflanzt. Das Projekt wird naturschutzfachlich kontrolliert und begleitet. Darüber hinaus besteht eine Zusammenarbeit mit der Universität Hohenheim, um die Samenvielfalt in der Region zu schützen. Dafür werden verschiedene Sorten botanischer Exemplare gepflegt, konserviert, archiviert und digitalisiert.