Was wollen Sie lesen? Entscheiden Sie sich für eines unserer Themen.


Einfach mal was richtig machen

Der Weltklimarat rechnet damit, dass die 1,5-Grad-Grenze bereits in den Jahren 2030 bis 2035 erreicht werden könnte. Umso wichtiger sind konkrete Maßnahmen und Tools wie das Modell von right°. Sowohl das Start-up als auch die Gründerin wurden bereits mehrfach mit Preisen ausgezeichnet – zum Beispiel mit dem Next Economy Award des Deutschen Nachhaltigkeitspreises.
Foto: right°/Farideh Diehl

Frau Helmke, Sie haben Psychologie und International Business studiert. Wie kamen Sie dazu, ein Modell zu entwickeln, das errechnet, wie stark ein Unternehmen die Erderwärmung beeinflusst?

Hannah Helmke:

Im Studium ergab sich die Gelegenheit, preisgekrönte Dokumentarfilme anzusehen. Ein Film handelte vom „Peak Oil“ und davon, dass wir viel zu viele Emissionen verursachen. Dass wir die Lebensgrundlage auf unserer Welt zerstören, hat für mich einfach keinen Sinn ergeben. Und dann bin ich auf die Kohlenstoffblase gestoßen, also eine Analyse darüber, dass ca. 70 Prozent aller im Markt eingepreisten Brennstoffe in einer „Unter-2-Grad-Welt“ gar nicht verbrannt werden dürften. Ich habe mich gefragt: Wie macht man deutlich, dass ein Unternehmen abhängig von Emissionen ist, die es in einer Welt, die sich um weniger als 2 Grad erwärmen soll, nicht mehr geben darf?

Wenn man hierfür nun berechnet, für wie viel Grad Erderwärmung das Unternehmen verantwortlich ist, dann versteht das jeder. Dabei ging es uns in erster Linie nicht um den Umweltschutz. Es ging uns darum, ein System zu hinterfragen, das nicht funktioniert. Das hat mich gereizt.

Während meiner Arbeit habe ich dann gemerkt: Die Entscheidungsträger der deutschen Wirtschaft suchen wirklich Ansätze, einfach mal was richtig zu machen. Das war auch die Motivation, die Sebastian (Sebastian Müller, Mitgründer von right°, Anm. der Redaktion) und mich getrieben hat: Dass man hinter dem stehen kann, was man tut – und das betrifft eben auch das Thema Klima.

Mittlerweile greifen rund 130 Unternehmen auf Ihr Modell zurück – zudem sind Sie eine gefragte Gesprächspartnerin und auf verschiedenen Bühnen präsent. Waren Sie sich immer sicher in dem, was Sie tun? Gab es Momente, in denen Sie Zweifel am Erfolg von right° hatten? 

Hannah Helmke:

(Lacht …) Als Unternehmerin zweifeln Sie jeden Tag, weil man sich ja ständig hinterfragen muss: Was kann man besser machen, warum funktionieren die Dinge nicht so ideal, wie man sie sich ausgemalt hat? Diese Fragen kann man nur beantworten, wenn man sich dem Zweifel stellt und lernt, ihn zu mögen. An dem Ziel und dem Modell von right° hatte ich nie Zweifel. Der Klimawandel wird die Menschen wirklich betreffen, er wird ein gesellschaftspolitisches Thema werden. Und da sehe ich auch uns in der Verantwortung, uns stetig zu verbessern und das so in Produkte zu verpacken, dass es einen Effekt erzeugt, sowohl gesellschaftlich als auch umweltbezogen.

Die EU-Staaten sind, Stand heute, noch weit vom 1,5-Grad-Ziel entfernt. Eine Auswertung des XDC-Modells zeigt, dass die europäischen Nationen zwischen 3,1 und 5,3 °C liegen – ausgehend von der Emissionsintensität der einzelnen Länder, also den im jeweiligen Land ausgestoßenen Treibhausgasen pro Einwohner, und unter der Annahme, dass sich die bisherigen Trends weiter fortsetzen (sogenanntes Baseline-Szenario).
Foto: right°

Das Thema Klimawandel ist auf jeden Fall in der Mitte der Gesellschaft angekommen: Klimakleber, Atomausstieg, Tempolimit – diese Themen sind emotional sehr aufgeladen. Wieso ist es umso wichtiger, faktenbasiert zu arbeiten? 

Hannah Helmke:

Weil wir auf eine gemeinsame Grundlage kommen müssen, um die Zukunft angehen zu können. Das gibt den Menschen eine Perspektive und eine Alternative zu den Themen, die aktuell ziemlich ziellos die Debatte verunsachlichen. Es ist offensichtlich, dass wir ohne diese gemeinsame Grundlage nicht weiterkommen, wenn der Fokus nicht auf der Lösung liegt, sondern auf der Äußerung, dass einem etwas nicht passt. Also auf etwas sehr Egoistischem. Hier brauchen wir Argumente und Sachlichkeit. Darauf basiert jede Art von erfolgreicher Gestaltung – ob nun der Wirtschaft, der Gesellschaft oder des eigenen Lebens.

Passend dazu errechnet das von Ihnen entwickelte X-Degree-Compatibility-Modell (XDC-Modell) die Klimawirkung eines Unternehmens in einer einfachen Zahl, die in Grad Celsius angegeben wird. Wie aussagekräftig ist dies in einem Umfeld, das bisher keine Standards zur Kommunikation der Klimawirkung von Unternehmen kennt?

Hannah Helmke:

Wir nutzen Komponenten, die aus der Wissenschaft kommen. Wir nutzen zum Beispiel ein Klimamodell, das auch vom Weltklimarat genutzt wird. Das heißt, wir entwickeln die Modellkomponenten nicht selbst, sondern arbeiten auf Basis bereits vorhandener und fundierter Komponenten, die wir so kombinieren, dass ein Modell entsteht, das den Unternehmen dabei hilft, ihren Pfad in Richtung 1,5-Grad-Konformität zu finden. Und diese Software ist sehr komplex. Bei uns arbeiten 15 Leute alleine am Modell und an unseren Softwareprodukten.

Zukünftig werden durch die Corporate Sustainability Reporting Directive die Daten der Unternehmen prüfbar gemacht. Diese Direktive der EU verlangt von den Unternehmen, dass sie ihre Pläne zur Erreichung des 1,5-Grad-Ziels transparent machen. In Deutschland betrifft das 15.000 Unternehmen. Meine Hypothese ist, dass das eine bahnbrechende Änderung ist, die den Markt verändern wird. 

In Ihrer Arbeit treten Sie mit wichtigen Entscheidungsträgerinnen und -trägern in Kontakt. Motiviert Sie das umso mehr, das Ziel Ihres Modells voranzubringen?

Hannah Helmke:

Ja klar, weil wir alle eine lebenswerte Zukunft wollen. Wir wollen alle, dass wir im Rahmen der Ressourcen, die auf dem Planeten existieren, leben können. Das braucht Veränderung. Und wenn man genau an so einer Sache arbeitet, ist da ein ganz großer Reiz: Diesen Wert so zu transportieren, dass die Menschen mit der Veränderung umgehen und diese vor allem auch annehmen können. Ich komme mit Entscheidungsträgern in Kontakt, die einen großen Hebel haben. Wie schaffe ich es, dass unser Modell als etwas ankommt, das einen Mehrwert generiert, für den sie sich einsetzen möchten und der eine intrinsische Motivation auslöst, die es wirklich braucht, um Veränderung zu implementieren?

Was passiert, wenn Sie die Gradzahl errechnet haben? Wie gehen Unternehmen damit um?

Hannah Helmke:

Sobald wir die Gradzahl übermittelt haben, besteht sehr viel Interesse, das Modell besser zu verstehen und Szenarien durchzuspielen – zum Beispiel: Was wäre, wenn wir nächstes Jahr auf Ökostrom umstellen, wenn wir andere Materialien verwenden, wenn wir unsere Produkte anders designen – kommen wir dann runter auf die 1,5 Grad? Es entsteht ein Ehrgeiz, diese Lücke zu schließen. Das ist natürlich ganz toll zu sehen.

Wieso ist eigentlich niemand vor Ihnen auf die Idee gekommen, ein solches Modell zu entwickeln?

Hannah Helmke:

Ich frage mich manchmal auch, warum niemand früher darauf gekommen ist (… lacht). Wir haben früh erkannt, dass diese Informationen wichtig für den Markt sind. Im Jahr 2013 wurde die Kohlenstoffblase veröffentlicht, das Pariser Klimaabkommen wurde 2015 verabschiedet und im Jahr 2016 haben wir gegründet. Die Leute fragen mich manchmal: „Wie kommen Sie denn darauf, das in Grad Celsius zu rechnen?“ Und dann erkläre ich immer, dass das Pariser Klimaabkommen ein solches Ziel formuliert. Wieso sollte man das in einer anderen Einheit messen?

Werfen wir einen Blick in die Zukunft: Wie muss sich ein Unternehmen zukünftig ändern, wenn es klimafreundlich werden will? 

Hannah Helmke:

Das größte Potenzial sehe ich darin, das eigene Geschäftsmodell zu hinterfragen: Passt mein Geschäftsmodell in eine 1,5-Grad-Welt? Es geht nicht darum, irgendwelche Werkstore zu schließen, sondern darum, sich zu überlegen, wie ich mein Geschäftsmodell so umstrukturiere, dass es weniger Emissionen generiert. Und das Potenzial, das in dieser Transition steckt, sowohl auf wirtschaftlicher Ebene als auch auf Positionierungsebene, ist extrem spannend und vielfältig. Wie so eine Art „idealer Sandkasten“, in dem man sich neu erfinden kann. Es ist eine Weiterentwicklung des eigenen Geschäftsmodells und da liegt ganz viel Kraft drin. 

Beim Versuch, die Klimaziele zu erreichen, geht es oft um Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten. Wie sehen Sie das, wer ist am meisten gefragt: Unternehmen, der Staat (Politik), jede und jeder Einzelne von uns? 

Hannah Helmke:

Da sind erst mal wir in der Verantwortung, unsere Führungskräfte zu fragen: Wo arbeite ich hier eigentlich? Widme ich meine Arbeitskraft der Transformation Richtung 1,5 Grad? Ich glaube, diese Macht wird total unterschätzt. Dieselben Fragen kann man seiner Bank oder seiner Versicherung stellen. Dann ist wirklich jede Geschäftsleitung gefragt, weil es hier um den Erfolg des Unternehmens in der Zukunft geht. Selbstverständlich ist auch die Politik gefragt, die Unternehmen zu verstehen, und Steine aus dem Weg zu räumen, statt ihnen neue in den Weg zu legen. Den Spagat zu schaffen zwischen dem Freiraum, dass die Unternehmen innovativ und strategisch sein können, aber auch den Leitplanken, die notwendig sind, um die Spielregeln zu definieren. 

Das ist also eine Teamleistung. Und das Ziel ist erreichbar, davon bin ich überzeugt.

Rund um das Laborgebäude der WALA erstreckt sich ein Biodiversitätspfad, der eindrücklich zeigt, dass Artenvielfalt nicht mit Geld aufzuwiegen ist.
Foto: WALA

1,5 Grad? Wir sind auf dem Weg!

Ökologie ist für die WALA kein Trend. Zum Schutz der Umwelt und zum sorgsamen Umgang mit natürlichen Ressourcen verpflichtet uns nicht nur unsere Geschichte, sondern auch unsere Zukunft. Das Ziel des Pariser Klimaabkommens ist nur zu erreichen, wenn die CO2-Emissionen zeitnah drastisch reduziert werden. Dieser Herausforderung und dieser Verantwortung sehen wir uns als WALA verpflichtet – und wollen unseren Beitrag dazu leisten. An unseren Standorten erreichen wir durch konsequente Vermeidung von Treibhausgasemissionen weitgehende CO2-Neutralität (Scope 1 und 2). Und zwar echte Neutralität, die nicht kompensiert werden muss.

Durch einen Anteil an erneuerbaren Energien von rund 95 % tragen wir bereits heute mit einer Temperatur von jeweils 1,4 °C in Scope 1 und Scope 2 zum Erreichen des 1,5-Grad-Ziels bei.

Transparenz liegt uns aber genauso am Herzen wie die fortwährende Reduktion unserer Emissionen und so müssen auch wir uns eingestehen, dass wir noch nicht am Ziel angekommen sind. Für Scope 3, das Emissionen innerhalb der Wertschöpfungskette aus der vor- und nachgelagerten Unternehmenstätigkeit abbildet, hat right° eine Temperatur von 2 °C für uns geschätzt. Somit liegt die WALA bei einer Gesamtzahl von 1,9 °C. Das bringt uns dazu, weiter an der Reduktion der durch uns verursachten Emissionen zu arbeiten. Wir möchten noch besser werden und unsere gesamten Emissionen auf 1,5-Grad-Kurs bringen.

Mehr dazu lesen Sie in unserem XDC Climate Impact Report.